Die erste Folge bei Spotify anhören.
In den frühen Tagen des Internets - in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts - war offen, wozu des World Wide Web dienen konnte. Was bedeutete die Möglichkeit,
Text anders als in gedruckter Form unter die Leute zu bringen? Wie sollten sich Verlage die neuen Möglichkeiten nutzbar machen? Würden Webseiten die Hochglanzbroschüren
zur Bewerbung von Büchern bei Buchhandlung und Presse ersetzen, würde Hypertext gar das Buch ablösen und obsolet machen?
Meine erste Webseite - nach geringen konzeptionellen Vorüberlegungen mit meinem Grafiker Marcel Schmid
in zwei, drei späten Abendstunden mit dem Verleger Erich Maas
in den Büroräumen von TXT in Berlin realisiert - ging im März 1999 online. Sie sollte nur aus Text bestehen, der, in Analogie zur Gestaltung der Buchumschläge von Engeler-Büchern,
entweder weiss auf buntem Hintergrund oder farbig auf weissem Hintergrund stehen sollte, und so radikal einfach sein, dass ich sie mit geringen Kenntnissen in HTML selber warten konnte.
Selbständig sein und alles selber machen können war mangelnden Finanzmitteln ebenso geschuldet wie der ästhetischen und arbeitsethischen Schulung durch Punk, die ich in meiner Jugend durchlaufen hatte.
Zu Beginn hatte ich meine Webseite eher als editorischen Inhalt denn als Werbung verstanden, am sichtbarsten darin, dass es von
Birgit Kempker
und von Peter Waterhouse Textarchive gibt,
deren Anspruch war, alle ihre Texte, die nicht in Büchern gesammelt erschienen waren, sondern verstreut veröffentlicht, an einem Ort zu versammeln. Die Arbeit an diesen Archiven bestand nicht nur im Bibliographieren der Veröffentlichungen, sondern auch im Erfassen der Texte selber und im Erstellen einer eigenen Seite für jeden Text. Der Kraftakt endete mit den Veröffentlichungen von 2002, später hatte ich weder die Zeit noch die Energie noch die übersicht für Aktualisierungen.
Aber erst, als ich die ersten Webradios hörte, wusste ich: Internet, das ist im Grunde Radio - ein Rundfunken, wie ich es selber, mit meinen eigenen Mitteln veranstalten kann.
Der direkteste Weg zu den Leuten! Und weil ich es mir einfach und unkompliziert vorstellte, ohne teure Studiozeit und aufwändige Vor- und Nachproduktion im Schneideraum,
sondern direkt und roh, nannte ich mein Webradio - roughradio! "roughradio", so steht es im (unveröffentlichten) Bericht
"Zusammenhänge" zu meinem ersten Verlagsleben von 1992 bis 2009,
"stand ursprünglich für die Idee, aus den Veranstaltungen der Autoren des Verlages [Urs Engeler Editor] mittels Streaming einen grösseren Nutzen durch eine weitere Verbreitung zu ziehen -
und mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet bot, vorne mit dabei zu sein. Allerdings fehlte mir auch für diese Idee die nötige Zeit und Energie zu ihrer Umsetzung.
roughradio blieb eine Visitenkarte [hergestellt für die Frankfurter Buchmesse], auf der ich mich Radiodirekter nannte (was mir bis heute die liebste Berufsbezeichnung ist)."
Nicht nur meine Vorstellungen, wie roughradio inhaltlich funktionieren soll, haben sich in den über 20 Jahren, in denen mich diese Idee nun schon begleitet, verändert,
der Stand der Technik und das ganze mediale Umfeld haben sich mit den Mobiltelefonen, mit den Striemingdiensten, den sozialen Medien und Podcastes radikal verändert.
Und wir - sind - und bleiben - online: We're on air, Dale!
Urs Engeler, Radiodirektor, 30. März 2023
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|